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Wirtschaftliche Aspekte im Reformvorschlag des DGB für das Betriebsverfassungsgesetz

Das BetrVG ist vor 50 Jahren umfänglich reformiert worden. Seither haben sich Arbeitswelt und Wirtschaft wesentlich verändert. Digitalisierung, Umwelt- und Klimaschutzes und der Rückschnitt der Globalisierung sind drei Stichworte, die eine substanzielle Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) erforderlich machen. Lesen Sie hier den ganzen Beitrag als Download.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben daher einen umfassenden Reformvorschlag vorgelegt. Dabei geht es nicht nur um einen verbesserten Schutz der Arbeitnehmer*innen vor den Gefährdungspotentialen der stichwortartig genannten Wirtschaftsentwicklungen, sondern auch um deren Mitgestaltung durch die Beschäftigten. Aufgrund ihrer Kenntnisse der betrieblichen Abläufe, können die Beschäftigten wirksame Vorschläge für Energie- und Rohstoffeinsparungen sowie für inner- und außerbetriebliche Logistikketten im Zuge einer stärkeren Renationalisierung der Produktion machen. Aktuell sind es die Folgen eines (möglichen) Importstopps von russischem Öl und Gas, der die Ausschöpfung aller Einsparungspotentiale erfordert, anderenfalls Arbeitsplätze massiv gefährdet sein könnten. Zur Nutzung dieser Sparpotentiale können die Arbeitnehmer*innen und Betriebsräte beitragen und einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherheit leisten.

Die wirtschaftlichen Angelegenheiten – unterteilt in Unterrichtung und Betriebsänderungen – sind in den §§ 106 – 113 BetrVG geregelt.

Der Reformvorschlag sieht vor, dass in Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten – statt bisher mit mehr als 100 Beschäftigten – ein Wirtschaftsausschuss (WA) zu bilden ist. Gehört das Unternehmen zu einem Konzern, so ist auch beim herrschenden (inländischen) Konzernunternehmen ein WA zu bilden, für den dann ebenfalls die Bestimmungen zum WA gelten.

Bei Unternehmen im Besitz eines ausländischen Konzerns hat das inländische Management nötigenfalls von dort Informationen zu beschaffen, um die wirtschaftliche Situation nach § 106 BetrVG vollständig darstellen zu können. Daraus folgt, dass die Erläuterung des Jahresabschlusses nach § 108 BetrVG ggf. den Konzernjahresabschluss des beherrschenden Unternehmens einzuziehen hat.

Ansonsten ist die Liste der Punkte, die zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten gehören und zu denen der Unternehmer den WA zu informieren hat (§ 106 BetrVG), unverändert geblieben.

Deutlichere Änderungen sieht der Reformvorschlag bei den Betriebsänderungen vor. Zum einen ist der Katalog der Maßnahmen erweitert worden, die als Betriebsänderungen gelten:

  • Auslagerung von Arbeit aus dem Betrieb (Nr. 5)
  • Die Einführung neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren ist um die Anwendung von Algorithmen, künstliche Intelligenz und Robotern erweitert worden (Nr. 6)
  • Massenentlassungen, die die Voraussetzungen des § 17 Kündigungs-schutzgesetzes erfüllen (Nr. 7). Dieser Punkt entspricht dem bisherigen § 112a BetrVG.


Nach dem bisherigen § 112 (Interessenausgleich und Sozialplan) kann, wenn zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung über einen Interessenausgleich oder Sozialplan zustande kommt, eine Einigungsstelle eingerichtet werden, die aber nur über den Sozialplan einen Spruch fällen kann. Für die Gültigkeit des Interessenausgleichs reicht es bislang aus, wenn der Arbeitgeber die Einigung versucht hat. Nach dem Reformvorschlag soll die Einigungsstelle auch über den Interessenausgleich einen Spruch fällen können (§ 112, Nr. 4), wobei sowohl die sozialen Belange der Arbeitnehmer*innen als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen zu berücksichtigen sind. Dabei ist bei einem konzernzugehörigen Unternehmen die wirtschaftliche Lage des Konzerns ausschlaggebend. Das gilt auch für ausländische Konzerne (§ 112, Nr. 6). Der Reformvorschlag unterstreicht, dass es Betriebsänderungen nur bei nachweislichen wirtschaftlichen Zwängen auf Seiten des Unternehmens geben soll. Er sieht auch vor, dass Betriebsänderungen, die aufgrund von Gewinnvorgaben erfolgen oder den Aktienkurs beeinflussen sollen, keine wirtschaftlichen Zwänge im Sinne des § 112 BetrVG darstellen. Diese Neuerung dürfte vor allem in denjenigen Fällen Bedeutung gewinnen, in denen der Betriebsrat realistisch darlegen kann, dass mit überschaubaren Maßnahmen, Produktion und Arbeitsplätze gehalten werden können oder ein Insourcing ausgelagerter Teile oder Produktionsschritte möglich ist.

Eine Aufwertung erfährt auch § 92a BetrVG (Beschäftigungssicherung). Bei den Vorschlägen zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung, die der Betriebsrat dem Arbeitgeber machen kann, ist neben Arbeitszeitveränderungen und Qualifizierung der Arbeitnehmer*innen ausdrücklich auch die Rückholung ausgelagerter Teile des Arbeitsprozesses genannt. Der Betriebsrat kann einen Sachverständigen hinzuziehen. Bei einer teilweisen Ablehnung seiner Vorschläge kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, die darüber entscheidet, ob die Maßnahmen vorgenommen werden und wie ihre Durchführung kontrolliert wird (§ 92a, Nr. 3). Damit werden auch die Fördermaßnahmen der Berufsbildung (§ 97f.) einigungsstellenfähig.